Der ökonomische Wert des Technologiesprungs

Die im Internet of Things (IoT) erzeugten Datenmengen bedingen eine grundlegende Veränderung der heutigen Informationsinfrastruktur IoT-Systeme müssen autonom, robust und vor allem sicher sein.

Person bedient Industrieroboter mit Tablet, Funkenflug, Schriftzug „Internet of Things“
Das Internet of Things (IoT): Zum IoT gehören sowohl mit dem Internet verbundene Lampen oder der vom Smartphone gesteuerte Kühlschrank als auch eine vernetzte Produktionsanlage.

Wenn der Bohrkopf der Ölplattform 1500 Meter unter der Wasseroberfläche mit der Wartungszentrale an Land kommuniziert oder wenn Sensoren über eine App informieren, wenn beim Transport von Medikamenten die Temperatur außerhalb des zulässigen Bereichs liegt – dann spricht man vom Internet of Things (IoT). Die Vernetzung von Werkzeugen und Maschinen, von Autos und Rolltreppen, Haushaltsapparaten und Robotern verändert sich sämtliche Wirtschaftsbereiche. Das IoT eröffnet Unternehmen enorme Chancen, birgt aber auch Sicherheitsrisiken.

Das Web der Dinge ist ohne Big Data und Analytics nicht denkbar. Erst die massenhafte Erhebung von Daten und deren intelligente Auswertung ermöglichen die Vernetzung. Die Anforderungen an das Datenmanagement sind dabei enorm. So müssen Informationsströme in Sekundenbruchteilen verarbeitet werden. Dabei hilft Künstliche Intelligent (KI). Laut einer Umfrage unter rund 500 Industriemanagern im deutschsprachigen Raum nutzt bereits jedes zweite produzierende Unternehmen die KI. Patrick Schwarzkopf vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Fachbereich Robotik und Automation: „Und die Quote wächst schnell, auch die Einsatzfelder nehmen zu“. Für einige deutsche Mittelständler ist IoT wie alter Wein in neuen Schläuchen: Unternehmen wie SEW Eurodrive, Claas Landmaschinen oder Stiebel Eltron haben schon vor mehr als zehn Jahren Daten von Maschinen an Maschinen geschickt. Damals ging es darum, die Automation zu fördern. Bei Energieversorgern ist eine Frühform von IoT, die Heizungsablesung, bereits vor 20 Jahren bejubelt worden: Schon damals kam nicht mehr ein Mitarbeiter in die Wohnung, sondern blieb im Auto sitzen, weil er die Daten von dort aus fernablesen konnte. Mittlerweile sind die Versorger noch weiter: Smart Power Grid etwa bezeichnet intelligente Verteilnetze für die Stromversorgung. Dabei wird die Energieeinspeisung dem aktuellen Verbrauch mit Hilfe des IoT angepasst. Eine lange Wahlnacht in den Vereinigten Staaten oder ein Fußballspiel in Deutschland? Millionen Menschen sitzen dann vor dem Fernseher. Konsequenz: Es wird mehr Energie in die Netze eingespeist. Und es geht noch weiter. Neue Geschäftsfelder entstehen etwa dadurch, dass Versorger bestehende Produkte um IoT-Zusatzservices ergänzen oder ganz neue Produkte mit IoT-Funktionen entwickeln.

Die Softwareindustrie reagiert auf die Herausforderung, große, schnell hereinkommende Datenmengen zu verarbeiten: Neue Dienste wie SAS Event Stream Processing wurden entwickelt.

Auswertungen in Echtzeit

Dabei werden die Daten nicht erst nach ihrer Speicherung, sondern schon während der Übermittlung in der Cloud analysiert. „Damit sind Auswertungen in Echtzeit nicht nur von Sensoren gelieferten Daten möglich, sondern auch von Transaktionen in sozialen Medien und auf Websites“, erklärt Annette Green, beim Weltmarktführer SAS verantwortlich für Deutschland, die Schweiz und Österreich. „Damit bekommen Unternehmen schnelle, skalierbare Ergebnisse aus ihrem IoT-Daten.“

Diagramme zum Umsatz und Nutzung vernetzter Unterhaltungselektronik in Deutschland

IoT hilft auf der Straße: Volvo Trucks, Hersteller von Nutzfahrzeugen, sammelt ständig alle Funktionen der Fahrzeuge und analysiert sie so genau, dass Probleme schon im Ansatz erkannt werden – und nicht erst, wenn der Truck am Straßenrand liegenbleibt. IoT hilft im Kundenservice: Laut der Studie „Experience 2030: The Future of Customer Experience“ können Warteschleifen schon bald der Vergangenheit angehören. In den nächsten zehn Jahren werden, so die Studienautoren, etwa zwei Drittel aller Kundenkontakte über Smartphones, das Web oder an Informationsschaltern mit Hilfe intelligenter Maschinen bearbeitet werden. Damit nicht genug: Versicherungen können ihre Arbeitsabläufe vom Kundendialog bis zur individuellen Tarifgestaltung verbessern. Ein Beispiel ist die Schadenbearbeitung eines europäischen Versicherungskonzerns: Hat ein Kunde einen Autounfall, meldet ihn über seine Versicherungs-App. Zunächst beantwortet er drängend Fragen, etwa, ob es Verletzte gibt. Dann beschreibt der Kunde den Schaden und sendet gegebenenfalls noch ein Foto dazu. Ihm werden auf der App die nächstgelegenen Vertragswerkstätten angezeigt oder – wenn das Auto fahruntauglich ist – ein Abschleppdienst beauftragt und ein Taxi gerufen.

Im Hintergrund laufen viele Checks ab: Weisen die Angaben darauf hin, dass es sich möglicherweise um einen Betrugsfall handelt? Und es agiert ein Kostenmodell, das unter Berücksichtigung der Marke, des Modells und des Alters des Fahrzeugs automatisch die Schadenhöhe berechnet und festgelegt, wie mit diesem Fall umzugehen ist. Annette Green: „Potentiale für den wertsteigernden Einsatz von Analyse-Tools gibt es entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“

Nach Ansicht der SAS-Managerin hat Corona gezeigt, dass viele Unternehmen in Deutschland noch erhebliche Defizite in Sachen digitale Vernetzung haben. Betriebe ohne methodische, konzeptionelle, organisatorische und technische Verfahren zur Nutzung der Ressourcen „Daten“ seien schneller ins Schlingern geraten als Unternehmen, die bereits auf Big Data und Analytics oder KI setzen: „Sie schaffen damit mehr Resilient, die sie auch in Zukunft bei unerwarteten Vorkommnissen schützt und ihnen die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsfelder und damit neuer Umsatzquellen eröffnet.“

Wertsteigernde Analyse-Tools

Ein Beispiel aus dem Mittelstand: Die niedersächsischen Firma Bornemann Gewindetechnik (60 Mitarbeiter) denkt über den Aufbau einer Beratungssparte nach, weil sie durch eine neue Technologie in den kommenden Jahren über enorme Datenmengen verfügen wird. Seit einem halben Jahr verkauft Bornemann smarte Gewindespindeln, die mit Minisensoren ausgerüstet sind und per Bluetooth Daten zu einer Maschine oder auf ein Handy senden. Informationen über die Verdrehung der Spindel, über die inneren Lasten und Vibrationen. „Das ist wie ein Röntgenblick in das Gewinde“, erklärt Geschäftsführer Moritz von Soden. Bornemann-Kunden, beispielsweise Hersteller von Hebebühnen oder Extrudern, sehen nun rund um die Uhr, in welchem Zustand sich ihrer Produkte befinden. Wartungsintervalle lassen sich optimieren, Ausfälle vermeiden. Bornemann selbst erhält durch die Datenanalyse neues Knowhow, etwa über die exakten Lastprofile. „Dieses Wissen können wir künftig unseren Kunden zusätzlich zu unseren Gewindespindeln anbieten“, sagt von Soden. Und die IT-Sicherheit bei IoT? Patrick Schwarzkopf: „Die Vernetzung von Maschinen, Anlagen und Geräten ist für Hacker ein gefundenes Fressen. Sie versuchen immer wieder, in IoT-Systeme einzubrechen – dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.“ Cyber-Security-Experten wissen, wie man sich schützt. Schwarzkopf: „Wenn KI-Tools verwendet werden, lassen sich Anomalien im Datenstrom leichter erkennen.“ Dazu nennt er ein Beispiel aus der Lebensmittelbranche: „Sollte ein Hacker etwa die Milchpulverzusammensetzung durch einen Befehl verändern wollen, erkennt KI einen solchen unangekündigten Datenstrom sofort, und das Servicemanagement-System verhindert die Weiterleitung. Was nicht ins gelernte Muster passt, löst einen Alarm aus.“

Die Vernetzung vieler verschiedener Geräte sowohl in der Industrie als auch im Alltag wird als Internet of Things (IoT), auf Deutsch Internet der Dinge, bezeichnet. Die mit dem Internet verbundenen Lampen oder der Kühlschrank des Smart Homes gehören ebenso zum IoT wie eine vernetzte Produktionsanlage. Dabei wird die Vernetzung industrieller Maschinen auch als Industrie 4.0 oder Industrial Internet bezeichnet.

Laut einer Schätzung des Netzwerkausrüsters Cisco werden bis 2022 eine Billion Geräte mit dem IoT vernetzt sein. Neben der Vernetzung der Industrie erwarten die Analysten des Technologiekonzerns durch die Entwicklung von Smart Citys eine grundlegende Veränderung der heutigen Informationsinfrastruktur. Durch die Vernetzung der Stadt, beispielsweise von Ampeln, Fahrzeugen, Bewohnern und Verwaltung, sollen Städte effizienter, fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver werden.

Dabei prägt das Internet der Dinge bereits heute unseren Alltag nachhaltig. So ermöglicht das Smartphone als Schaltzentrale mittlerweile neben der Kommunikation auch den Zugriff auf die Beleuchtung der Wohnung, die Einkäufe, die Küchengeräte oder auch die eigene Haustür. Gleichzeitig werden innovative Geschäftsmodelle des digitalen Marktes zu einer grundlegenden Umstrukturierung der Wertschöpfungsketten führen. Denn in der Verbindung von Daten mit der eigenen Geschäftsorganisation liegt das wahre Potential des IoT. Unternehmen können dadurch Produkte und Services anbieten, die sich schneller den Bedürfnissen der Kunden wie auch veränderten Marktbedingungen anpassen.

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Internet of Things
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