Gewindewirbeln punktet im Vergleich zum Gewindewalzen

Etwa 12 % des weltweiten Energieverbrauchs entfallen auf tribologische Kontakte. Bornemann Gewindetechnik forscht gemeinsam mit dem Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover an der Optimierung von Trapezgewinden.

Etwa 12 % des weltweiten Gesamtenergieverbrauchs entfallen auf tribologische Kontakte. Davon werden 20 % für die Überwindung von Reibung und 3 % für die Instandsetzung verschlissener Bauteile oder Ersatzgeräte für verschleißbedingte Ausfälle verbraucht [1]. Ein Beispiel dafür sind Schwerlasthebeanlagen für die Wartung von Zügen oder LKW. Auf die Herstellung solcher komplexen oder hoch beanspruchten Gewindebauteile hat sich Bornemann Gewindetechnik spezialisiert. Gemeinsam mit dem Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover erforschte das familiengeführte Unternehmen die tribologische Optimierung von Trapezgewinde durch den Gewindewirbelprozess. Dieses Verfahren ist insbesondere für Langgewindebauteile geeignet. Mithilfe modernster Fertigungstechniken stellt Bornemann Gewindetechnik bis zu 12 m lange Schraubenprofile her.

Grafik zum Aufbau der Oberflächenstrukturen auf der Tragflanke einer Trapezgewindespindel.
Bild 1 Oberflächenstrukturen auf der Tragflanke einer Trapezgewindespindel Foto: IFW

Gewirbelte Gewindespindeln weisen bearbeitungsbedingte Oberflächenmikrostrukturen auf, die ein Schmiermittelrückhaltevolumen darstellen. Dies reduziert die Reibung der gewirbelten Gewindespindeln und steigert die Lebensdauer gegenüber konventionell gerollten Spindeln. Den genauen Zusammenhang zwischen dem Bearbeitungsprozess und der reibungsreduzierenden Wirkung betrachten Forschende innerhalb des Projektes „TopGewinde“.

Untersucht wird dabei der Einfluss der durch das Gewindewirbeln erzeugten Mikrostrukturen auf das tribologische Verhalten von hochbelasteten Trapezgewindespindeln in Schwerlasthebeanlagen. Dafür wird ein speziell für die prozessintegrierte Mikrostrukturierung entwickelter Wirbelprozess betrachtet.

Dieser Beitrag wird veranschaulichen wie die Oberflächentopographie gezielt durch den Wirbelprozess eingestellt werden kann, was einen wesentlichen Vorteil gegenüber dem Gewindewalzprozess darstellt. Bild 2 zeigt die Oberflächentopographien der Gewindeflanke einer gewalzten Trapezgewindespindel im Vergleich zu einer gewirbelten Gewindeflanke.

Grafik zum Vergleich der Oberflächentopographie von gewalzten und gewirbelten Gewindespindeln.
Bild 2 Oberflächentopographie gewalzter und gewirbelter Gewindespindeln im Vergleich Grafik: IFW

Durch gezielte Anpassung des Wirbelprozesses konnten, im Vergleich zu gerollten Gewindespindeln, ausgeprägtere Strukturen erzeugt werden. Zur Charakterisierung der Oberflächenstrukturen wurden die Strukturparameter Strukturhöhe „yf“ und der Strukturabstand „sf“ eingeführt (Bild 1). Für die tribologische Optimierung wurden durch das Wirbeln Strukturen mit einem geringeren Spitzenanteil erzeugt, die den direkten Festkörperkontakt zwischen den Oberflächen der Reibpartner minimieren. Der größere Abstand der Strukturspitzen ermöglicht es, den Schmierstoff in den Tälern des Rauheitsprofils zu speichern.

Charakterisierung der tribologischen Eigenschaften

Versuchsaufbau zur Untersuchung der tribologischen Eigenschaften des Spindel-Mutter-Reibsystems.
Bild 3 Prüfstand zur Untersuchung der tribologischen Eigenschaften des Spindel-Mutter-Reibsystems Foto: IFW

Zur Untersuchung des Einflusses der Oberflächentopographie der Gewindeflanken auf das tribologische Verhalten wird der in Bild 3 dargestellte Prüfstand verwendet. Prüfspindeln mit dem Gewinde Tr 80 x 10 mm wurden mit einer Frequenz von f = 0,81 Hz um einen Winkel von v = 15° oszilliert. Die Rotation eines Lastwechsels entspricht einem translatorischen Hub von s = 0,42 mm des Gewindes. Durch diesen Aufbau wurde die Gewindespindel beim Heben und Senken mit einer Gewichtskraft von FG = 91,3 kN belastet. Dies entspricht einer Flächenpressung von p = 5,0 N/mm2, was für Trapezgewindetriebe (TGT) in Schwerlasthebeanlagen im Bereich der maximalen Belastung liegt. Für diesen Anwendungsfall wurden der Werkstoff der Gewindemutter aus G-CuSn 7 ZnPb und der Schmierstoff DGM HTF 940 ausgewählt. Die Schmierung im Versuchsablauf entspricht einem Wartungsintervall von einem Monat. Das Intervall zur Schmierung des Spindel-Mutter-Aufbaus erfolgt somit alle 167 Zyklen. Der Prüfstand wurde durch die Firma SincoTec aufgebaut. SincoTec ist gleichzeitig der Hersteller des Kraftsensor Interface 125 kN und des Drehmoment-Sensors SincoTec 1.200 Nm.

Für die Charakterisierung der Reibeigenschaften der unterschiedlichen Oberflächentopographien und der Oberflächenstrukturen wurde der Verschleißzustand der Flankenoberflächen analysiert. Hierzu trennten die Projektteilnehmenden die Spindeln im Anschluss mit einem Trennschleifer auf. Mit 20.000 Lastwechseln wurde die Einsatzdauer von zehn Jahren für die untersuchten Gewindespindeln experimentell abgebildet. Für die gewirbelten Gewindespindeln wurden die Prozessstellgrößen so gewählt, dass sich definierte Abstufungen zwischen den Höhen der Mikrostrukturen auf den Tragflanken der Gewinde ergeben. Die Prozessstellgrößen basieren dabei auf Erfahrungen der Firma Bornemann. Weiterhin wurden gewalzte Gewindespindeln untersucht, die mit dem Durchlaufverfahren gewalzt.

Grafik zum Vergleich des Reibwertverhaltens von gewalzten und gewirbelten Gewindespindeln mit unterschiedlichen Strukturkennwerten.
Bild 4 Vergleich des Reibwertverhaltens von gewalzten und gewirbelten Gewindespindeln mit unterschiedlichen Strukturkennwerten Grafik: IFW

Einfluss der Oberflächenstrukturen auf den Reibwert

Durch die oszillierende Bewegung über eine geringe Winkelstrecke können Heben und Senken in einer hohen Anzahl von Lastwechseln untersucht werden. Auf diese Weise lässt sich die gesamte Lebensdauer der Gewindespindeln experimentell abbilden. In Bild 4 ist der Verlauf des Reibwerts für die Hebebewegung mit dem Trapezgewindetrieb dargestellt. Verglichen wird hier der Verlauf der Reibwerte einer gewalzten und einer gewirbelten Gewindespindel. Das resultierende Geschwindigkeitsprofil innerhalb eines Lastwechsels besteht aus einer Beschleunigungsphase, einer Phase mit konstanter Geschwindigkeit sowie einer Abbremsphase – jeweils für das Heben und das Senken. Insbesondere am Punkt der Richtungsumkehr wird das Auftreten des Stick-Slip-Effekts begünstigt, der sich bei geringen Geschwindigkeiten zeigt. Dieser Effekt äußert sich in einem kurzzeitigen Haften der Oberflächen, gefolgt von einem plötzlichen Gleiten der Reibungspartner. Diese Bewegung kann zu Vibrationen führen, die sich in einer stärkeren Schwankung des Reibwerts niederschlagen [2]. Der mittlere Reibwert steigt zu Beginn des Versuchs stark an, erreicht nach etwa 2.000 Lastwechseln ein Maximum und sinkt anschließend nach ca. 8.000 Lastwechseln auf ein konstantes Niveau ab. Dieses Ver-halten wird als Einlaufphase bezeichnet und beschreibt die generelle Änderung des Reibwerts über den Versuchsverlauf, abhängig vom jeweiligen Tribosystem [3].

Eine deutliche Verbesserung der tribologischen Eigenschaften zeigt die gewirbelte Trapezgewindespindel mit der eingebrachten Oberflächenstruktur. Diese führt sowohl zu einer Verkürzung des Einlaufverhaltens um ca. 44 % als auch zu einer Reduzierung des Reibwerts dauerhaft auf ein niedrigeres Niveau von μm = 0,085. Dies entspricht einer Reduktion um 25,5 % im Vergleich zur gewalzten Gewindespindel. Eine vollständige Reduktion der Einlaufphase war bei diesem Gewinde im beschriebenen tribologischen System nicht möglich.

Adhäsiver Verschleiß auf der Tragflanke der Gewindespindel nach einer Lebensdauer von zehn Jahren in Abhängigkeit von der Oberflächenstruktur.
Bild 5 Adhäsiver Verschleiß auf der Tragflanke der Gewindespindel nach einer Lebensdauer von zehn Jahren in Abhängigkeit von der Oberflächenstruktur Foto: IFW

Einfluss der Oberflächenstrukturen auf den Verschleiß

Für die Lebensdauer der Trapezgewindespindel ist der Verschleiß, der beim Kontakt der beiden Reib-partner entsteht, von entscheidender Bedeutung. Um die auftretenden Verschleißmechanismen an der Gewindespindel zu identifizieren, wurde die Oberfläche der Tragflanke über die 20.000 Lastwechseln mit einer regelmäßigen Schmierstoffzufuhr untersucht und anschließend das Verschleißbild der Tragflanke analysiert (Bild 5). Die Untersuchung zeigt nach dem Versuch ein deutlich unterschiedliches Verschleißbild in Abhängigkeit von den Oberflächenstrukturen auf der Tragflanke. Die gerollten Gewindespindeln ohne Oberflächenstrukturen auf der Tragflanke zeigen ausgeprägte adhäsive Ablagerungen auf der Tragflanke der Gewindespindel, die durch einen deutlichen Abtrag bzw. Adhäsionsverschleiß des Muttermaterials verursacht werden. Mit der zunehmenden Strukturhöhe nimmt auch der Flächenanteil des adhäsiven Verschleißes signifikant ab (Bild 5).

Aufgrund der geringen Gleitgeschwindigkeit und der höhen Flächenpressung im tribologischen Kontakt wird die vorliegende Reibung im Tribosystem zwischen der Festkörperreibung und der Mischreibung eingeordnet. Durch die ausgeprägte Oberflächenstruktur (Bild 6, rechts) kann die Anzahl der Mikrokontakte im Vergleich zur unstrukturierten Oberflächentopographie (Bild 6, links) reduziert werden. Hierdurch kommt es aufgrund der Oberflächenstrukturen zu einem geringeren Anteil an Festkörperreibung. Eine stärker ausgeprägte Oberflächenstruktur auf der Gewindeflanke ist in der Lage, eine größere Menge an Schmierstoff aufzunehmen. Mit den Oberflächenstrukturen ließ sich der adhäsive Verschleiß auf der Gewindeflanke auf 10,1 % reduzieren, im Vergleich zu 36,3 % bei einer gewalzten Gewindespindel.

Schematische Darstellung des Reibkontakts zwischen der Tragflanke und der Gewindemutter.
Bild 6 Schematische Darstellung des Reibkontakts zwischen der Tragflanke und der Gewindemutter Grafik: IFW

Beim Kontakt von Reibpartnern aus unterschiedlichen Metallen findet ein Werkstoffübertrag vom kohäsiv schwächer gebundenen Reibkörper (hier die Mutter) zum kohäsiv stärker gebundenen Grundkörper (hier die Gewindespindel) statt [4]. Durch den zusätzlichen Schmierstoff im Reibkontakt kommt es zu einer geringeren Anzahl an kontaktierenden Rauheitsspitzen. Durch die fortschreitende Belastung der Kontaktfläche der Gewindemutter kommt es zur Ablösung von Partikeln, die sich an der kontaktierenden Rauheitsspitzen der Tragflanke ablagern. Diese bilden allmählich eine Schicht auf den kontaktierenden Bereichen der Tragflanke und verhindern einen direkten Kontakt zwischen dem Spindel- und Muttermaterial. Dieser Vorgang setzt sich so lange fort, bis es zu einem statischen Zu-stand kommt und sich keine weiteren Ablagerungen auf der Tragflanke absetzen. Durch diesen Vorgang wird das Einlaufverhalten bestimmt, das, nachdem die kontaktierenden Rauheitsspitzen mit Adhäsionsablagerungen bedeckt sind, in einen statischen Zustand übergeht. Dieser Zustand beeinflusst auch den Reibwert. Die initiale Oberfläche erfährt bei der Hebebewegung keinen abrasiven Ver-schleiß.

Ausblick und Nutzungsmöglichkeiten

Im Wettbewerb mit gewalzten Gewindespindeln konnte gezeigt werden, dass Oberflächenstrukturen auf der Tragflanke einer Gewindespindel für Schwerlasthebeanlagen einen erheblichen Mehrwert bieten. Mithilfe des Wirbelprozesses lässt sich eine größere Vielfalt an Oberflächenstrukturen erzeu-gen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die Oberfläche der Gewindespindel einen sehr geringen Verschleiß erfährt, wodurch die Oberflächenstrukturen auf der Tragflanke nach einer experimentell simulierten Einsatzdauer von 10 Jahren weitgehend erhalten bleibt. Bild 7 zeigt die drei wesentlichen Potenziale der mikrostrukturierten Tragflanken für die Auslegung und Konstruktion von Trapezgewindespindeln.

Potenziale der tribologisch optimierten Gewindespindel am Beispiel eines Gewindetriebs in einer Schwerlast-Hebeanlage.
Bild 7 Potenziale der tribologisch optimierten Gewindespindel am Beispiel eines Gewindetriebs in einer Schwerlast-Hebeanlage Grafik: IFW

Durch die definierte Einstellung der Oberflächenstrukturen auf der Gewindeflanke kann eine Reduktion des Reibwerts um 25,5 % erzielt werden. Für das Beispiel einer Schwerlasthebeanlage resultiert diese Verminderung des Reibwerts unter Berücksichtigung der jeweiligen Lagerung der Hebeanlage in einer proportionalen Senkung des Energieverbrauchs, da der Reibkontakt zwischen Spindel und Mutter maßgeblich für den Wirkungsgrad ist.

Ein weiterer Aspekt ist die Reduktion des Verschleißes an der Gewindemutter. In diesen Untersuchungen konnte der Verschleiß der Gewindemutter nur indirekt anhand der adhäsiven Ablagerungen auf der Tragflanke untersucht werden. Aufgrund der Reduzierung der adhäsiven Ablagerung auf ca. 10 % der Tragflanke ist davon auszugehen, dass es weniger Mikrokontakte zwischen den Reibpart-nern und damit weniger Verschleiß an der Gewindemutter gab. Aus der reduzierten Adhäsion auf der Tragflanke kann geschlossen werden, dass sich auch der Gesamtverschleiß der Gewindemutter verringert. Hierdurch können die Instandhaltungskosten gesenkt und die Lebensdauer des gesamten Trapezgewindetriebs erhöht werden.

Der dritte und entscheidende Vorteil der mikrostrukturierten Tragflanken eines Gewindetriebs ergibt sich bei der Auslegung des Antriebsmotors. Durch die Reduktion des Reibwerts um 25 % kann bei der Auslegung von einem geringeren Reibmoment ausgegangen werden.

Dies ermöglicht die Wahl eines Motors in einer kleineren Größenordnung, was den Stromverbrauch des Gesamtsystems reduziert und die Investitionskosten für die gesamte Hebeanlage deutlich senkt. Allerdings muss für diesen Aspekt das Einlaufverhalten reduziert und ein konstanter Reibwert über die gesamte Lebensdauer gewährleistet werden.

Durch weitere Forschung kann in Abhängigkeit der Gewindegeometrie eine Optimierung der Oberflächenstruktur vorgenommen werden. Der Prozess zur Erzeugung dieser gezielt eingestellten Oberflächenstrukturen wird aktuell durch die Projektpartner patentiert.

Hierdurch kann noch gezielter auf das individuelle tribologische System eingegangen werden. Ein weiterer Aspekt für zukünftige Forschung und Entwicklung ist die Modifikation der Oberflächentopographie der Gewindemutter, um das Einlaufverhalten gezielt zu kompensieren. Durch einen konstant reduzierten Reibwert wäre es möglich, bei der Auslegung des Antriebsmotors die Größe weiter zu reduzieren. Diese Punkte werden zukünftig in einem gemeinsam geplanten Forschungsprojekt mit Bornemann Gewindetechnik und dem IFW weiter adressiert.

Danksagung

Die Autoren danken der ZIM für die Förderung des Projekts „TopGewinde – Tribologisch optimierte Oberflächentopographien zur Lebensdauersteigerung von Gewindetrieben durch das Wirbelverfahren“.

Weiterhin bedanken sie sich bei Hans Bornemann und Moritz von Soden vom Hersteller Bornemann Gewindetechnik für die gute Zusammenarbeit im Forschungsprojekt.

Literatur

  1. Holmberg K, Erdemir A (2017 Influence of tribology on global energy consumption, costs and emissions. Friction 5, 263-284 (2017)
  2. Haessing D A, Friedland B (1990) On the Modeling and Simulation of Friction. American Con-trol Conference, San Diego
  3. Denkena B, Böß V, Nespor D, Gilge P, Hohenstein S, Seume J (2015): Prediction of the 3D Sur-face Topography after Ball End Milling and its Influence on Aerodynamics, 15th CIRP Confer-ence on Modelling of Machining Operations, Procedia CIRP 31, S. 221 227
  4. Buckley D H (1981) Surface Effects in Adhesion, Friction, Wear and Lubrication. S. 456. Else-vier, Amsterdam

Kontakt

Christian Wege, M. Eng.
Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover
Tel.: +49 (0) 511 762 4606
wege@ifw.uni-hannover.de

Autoren: Berend Denkena, Benjamin Bergmann, Christian Wege

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