Stick-Slip Effekt

Das Unternehmen Bornemann Gewindetechnik stellt seit mehr als 25 Jahren Gewindespindeln und –muttern für nahezu alle vorkommende Einsatzfälle in allen Industriezweigen her. Ein Schwerpunkt der Fertigung ist die Herstellung von einbaufertigen Trapezgewindetrieben, bestehend aus Spindeln und Muttersätzen für Schwerlast- Hebeanlagen, wie sie im Bereich der Hebeanlagen für Schienenfahrzeuge, im Theater- bzw. Bühnenbau und im Sondermaschinenbau eingesetzt werden.

Für die zuverlässige Funktion von Hebezeugen sind die Oberflächen der Gewindespindeln sowie die Auswahl des geeigneten Schmierstoffes von großer Bedeutung. Es gilt den berüchtigten Stick-Slip-Effekt zu vermeiden. Hans Gereke-Bornemann (Bornemann-Gewindetechnik, Geschäftsführung): „Wenn uns von Problemen bei Spindelhubanlagen berichtet wird, kann man generell davon ausgehen das einer der folgenden Faktoren Teil der Ursache ist: Oberflächengüte der Spindeln, Verunreinigungen, Einbaulage des Systems oder auch in besonderem Maße die Auswahl des Schmierstoffes. In vielen Fällen ist das Problem jedoch eine komplexe Mischung aus mehreren diesen Faktoren. Es gilt daher jeden der Faktoren bei der Konstruktion ausreichend zu berücksichtigen“.

Der Stick-Slip Effekt

Der Stick-Slip-Effekt (von engl. stick „haften“ und slip „gleiten“), der auch als Haftgleiteffekt bezeichnet wird, beschreibt das Ruckgleiten von gegeneinander bewegten Festkörpern. Der Effekt kann immer dann auftreten, wenn die Haftreibung größer ist als die Gleitreibung.

Dies führt je nach Tribologischem System zur Anregung von Schwingungen, die von einer resonanzfähigen Oberfläche als Geräusch abgestrahlt werden („kreischende“ und „quietschende“ Spindeln). Der Effekt verschwindet zumeist, sobald die Reibpartner durch einen Zwischen- beziehungsweise Schmierstoff getrennt werden. Der Stick-Slip Effekt ist in technischen Anwendungen häufig unerwünscht. Negative Einflüsse durch den Stick-Slip Effekt können u. a. bei Lagern, Führungen in der Lineartechnik oder bei Gewindespindeln in der Hebetechnik beobachtet werden.

Ralph Wuertele (Klüber Lubrication, Manager Application Engineering): “Gerade in Anlagen der Schwerlasthebetechnik können ungeeignete Schmierstoffe leicht zu Mangelschmierungszuständen führen, die einen erhöhten Verschleiß verursachen und somit zum vorzeitigen Ausfall der Anlage führen.“ Als direkt wahrnehmbare Begleiterscheinung dieser Mangelschmierung treten dann in der Regel die genannten kreischenden und quietschenden Geräusche auf.

Im schlimmsten Fall können solche Mangelschmierungszustände sogar zu Miko- bzw. Kaltverschweißungen von ganzen Hubsystemen führen dem sog. „Fressen“ der Muttern mit schweren Folgeschäden bis hin zu Ausfällen der betroffenen Anlagen.

Hier spielt die Materialpaarung des Spindel-Mutternsystems eine entscheidende Rolle. Bei Materialpaarungen von Grauguss und Stahl kann der Eisenanteil in den Werkstoffen eine Kaltverschweißung begünstigen. Bei einer Kombination von Bronze und Stahl kann die Kaltverschweißung generell ausgeschlossen werden. Was sollte also beachtet werden, um diese gefürchteten Mangelschmierungszustände bzw. den sogenannten Stick-Slip Effekt zu vermeiden?

1. Materialverträglichkeit

Der Schmierstoff muss nachweislich mit den Faltenbalg- und Dichtungsmaterialien verträglich sein. Wäre dies nicht der Fall, könnte der Schmierstoff diese Materialien beeinflussen und z.B. zu Porosität, Rissen oder Aufwerfungen führen. Die Folge wären Leckagen mit Schmierstoffverlust oder Eindringen von Schmutz. In beiden Fällen kann der Faltenbalg bzw. das Dichtungssystem seine Funktion nicht mehr wie gewünscht erfüllen. Verträglichkeitsuntersuchungen zwischen dem Schmierstoff und den Faltenbalg- und Dichtungsmaterialien sollten bei der zulässigen oberen Gebrauchstemperatur über mindesten 168 Stunden durchgeführt werden, um hier Sicherheit zu bekommen.

Laut des Faltenbalg Herstellers MFB-Technik sind die richtige Materialauswahl des Faltenbalges sowie die Berücksichtigung von äußere Umwelteinflüssen, wichtige Kriterien die die Lebensdauer der Faltenbälge beeinflussen aber oft von Kunden vernachlässigt werden.

2. Oberfläche der Gewindespindeln

Mehrere Faktoren sorgen dafür, dass der Schmierstoff dort bleibt, wo er gebraucht wird. Dazu gehört die Oberflächentopographie der Gewindespindeln und Muttern, die die Firma Bornemann-Gewindetechnik im Wirbelverfahren herstellt. Dadurch werden mikroskopisch kleine Schmiertaschen auf der Gewindeoberfläche erzeugt. Diese Schmiertaschen sorgen dafür dass der Schmierstoff bei hoher Flächenbelastung nicht weggedrückt wird sondern in den „Tälern“ der Oberfläche verbleibt da es von den Tragflanken der Gewindeprofile nicht berührt wird.

Bei Gewindespindeln, die im Rollverfahren hergestellt wurden, verhindern die fehlenden Schmiertaschen an der Tragflanke des Gewindeprofils oft, dass der aufgebrachte Schmierstoff verbleibt, wenn die Mutternprofile mit hoher Flächenbelastung über die Spindel gleiten. Entweder wird der Schmierstoff von der Flanke gepresst oder es wird vor der Mutter hergeschoben. In jedem Fall erfolgt ein Schmierfilmabriss, der anfangs Temperaturerhöhung und Stick- Slip mit zum Teil ohrenbetäubenden Geräuschen hervorruft, und später zur Zerstörung des Gewindetriebes führt. Moritz von Soden (Vertriebsleiter, Bornemann-Gewindetechnik): „Viele unserer Kunden kommen aus dem Bereich der Schwerlasthebetechnik. Hier kommen konsequent Gewindespindeln in gewirbelter Ausführung zum Einsatz um die bekannten Probleme bei Mangelschmierungen zu vermeiden“.

Ferner spielt die Haftfähigkeit des Schmierstoffs selbst eine wichtige Rolle. Sie wird durch die Rezeptur des Schmierstoffs, konkret die Verdickerart und –menge, bestimmt. Darüber hinaus ist die Reinigung der Oberfläche vor der Schmierstoffapplikation entscheidend. Rückstände von Metallbearbeitungsflüssigkeiten beispielsweise sind für die Haftung nicht förderlich.

3. Nachfließverhalten

Die geeignete Gewindegeometrie der Mutter sorgt dafür, dass sie den Schmierstoff nicht vor sich herschiebt sondern quasi in den Schmierspalt zieht. Dennoch kann der Schmierstoff schnell von der Reibstelle weggefördert oder geschleudert werden – er sollte allerdings möglichst schnell wieder zurückfließen. Aus diesem Grund empfiehlt Klüber Lubrication hier Fließfette der Konsistenzklasse NLGI 0, besser noch 00 zu verwenden. Die Spindelsysteme müssen natürlich entsprechend gut abgedichtet sein. Die Fettmenge sollte mindestens 30% des Volumens zwischen Spindel und Faltenbalg ausfüllen.

4. Ölabgabe

Aufgrund der eher geringen Gleitgeschwindigkeiten und hohen Flächenpressungen im Tribosystem Spindelmutter bei Spindelhubanlagen kann sich kein hydrodynamisch aufgebauter Schmierfilm bilden – was eine Mangelschmierung verursachen könnte. In dieser Betriebssituation bestimmen die Additive entscheidend die Leistungsfähigkeit des Schmierstoffs. Da die Additive im Öl-Anteil des Schmierfetts gelöst sind, muss das Schmierfett unter Last genügend Öl abgeben. Aufgrund seiner guten Fließfähigkeit gelangt das Öl einschließlich der Additive leicht zur eigentlichen Reibstelle und sorgt so für eine zuverlässige Schmierung.

5. Korrosionsschutz

Eine weitere Anforderung an den Schmierstoff leitet sich aus der Dichtheit des Systems ab: Da der Faltenbalg in der Regel nicht luftdicht abgeschlossen ist, kann eine Kondensatbildung im Inneren nicht prinzipiell ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund muss der Schmierstoff eine hohe Wasserbeständigkeit aufweisen und sehr guten Korrosionsschutz bieten.

Marc Schillig (Geschäftsführer der MFB-Technik Schillig GmbH & Co. KG): „Auch wir werden regelmäßig mit der Problematik „Kondenswasser“ konfrontiert. Prinzipiell gilt „Luftdicht funktioniert nicht“. Der Luftaustausch muss bei Bewegungen gewährleistet sein, da der Balg ansonsten sicher Schaden nimmt. Für dieses Problem werden hochwertige Siebe oder Ventilklappen eingesetzt. Kondenswasser wird über einen Abscheider durch den Überdruck beim Zusammenfahren des Balges nach außen transportiert. Diverse Lösungsansätze haben wir bereits mit unseren Kunden umgesetzt “.

Das Unternehmen Bornemann-Gewindetechnik GmbH in Delligsen bei Hildesheim stellt seit 25 Jahren mit 40 Mitarbeitern auf 3800m2 Firmenfläche Gewinde in sämtlichen Sonderformen sowie Dreh- und Frästeile her. Als Ausgangsmaterial dienen sämtliche spanbaren Werkstoffe. Zusätzlich bietet das Unternehmen die Reparatur von defekten Spindeln an. Die Standardgrößen für Gewindespindeln liegen im Durchmesserbereich 10 bis 180 Millimetern und reichen bis zu einer Länge von 6 Metern. In modernen Bearbeitungszentren können Maßtoleranzen von h6 gehalten werden. h6 entspräche bei einem Spindeldurchmesser von 100 Millimetern einer Toleranz von 99,978 bis 100 Millimetern, so dass Kugellager sachgerecht darauf montiert werden könnten. Mit Hilfe des Wirbelverfahrens werden Gewindeoberflächen in Schleifgüte erzielt. Die Lieferzeit beträgt 2 bis 3 Wochen nach Auftragseingang.

Quelle

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